Zeitzeugen hieß es zu finden, die in irgend einer Art und Weise die Montagsdemonstrationen des Herbstes 1989 miterlebt haben.
Puh, ein Zeitzeuge, ein lebendes Monument?
Zeitzeuge, meine Gedanken verbleiben zunächst bei diesem Wort, das Menschliche nicht vor Augen.
Wolfgang Franke, zum damaligen Zeitpunkt Student der Technischen Hochschule in Leipzig, sollte nun das Wort Zeitzeuge erfüllen.
Oh ja und wie er es tat:) ein wahrer Zeitzeuge, der mich über das Gespräch hinweg jenen Fakt, um es noch einmal zu wiederholen -Zeitzeuge- vergessen ließ.
Seine persönliche Situation unterstützte die Atmosphäre, die er gerade am 09.Oktober während der Demo empfand- Glückseligkeit.
Zufällig die Frau getroffen, in die er verliebt war, später den besten Freund, nun zu dritt, gemeinsam die Innenstadt zu umrunden. Ruhig, keine Angst, erfüllt vom Gefühl der Solidarität. Einige Stunden vorher, Vorlesung "Recht", der Professor musste unterschreiben, dass er des Abends nicht in die Innenstadt geht. Letzter Anreiz für den Beschluss Herrn Frankes, diesen Montag zum ersten Mal auf jeden Fall zu gehen.
Wächterstraße- Wilhelm- Leuschner- Platz/ Augustusplatz (die Erinnerungen schwanken)- Nikolaikirche, diese schleichend umrundet- Grimmaische Straße- Umrundung der Innenstadt (09.10.1989)
Für mich war es ein sehr anregendes Gespräch, neben dem Politischem ist mir seine damalige persönliche Situation, das Zusammentreffen in Erinnerung.
Zeugen der Zeit.
Henner Kotte, heute Schriftsteller, damals Mitte 20 an der Uni tätig. Am 04. Oktober 1989 brannte der Hauptbahnhof in Dresden. Demonstration. Er war dabei. "Schrecklich". Der Schrecken saß ihm noch im Nacken, als er am 09. Oktober vor der Entscheidung stand, gehen oder nicht gehen. Die "chinesische Lösung" zwar nicht erwartend und dennoch nicht wissend, was würde passieren. Die Rufe "Schließt euch an, reiht euch ein" hörend, von der Gerberstraße zum Hauptbahnhof laufend, den Demozug an dieser Stelle durchquerend, das Bild seiner Freundin, die ihn nicht gehen lassen wollte und ihm den Weg durch die Tür versperrt hat, im Kopf habend, entschloss er sich, nicht mitzugehen. Weiter zur Goethestraße, Polizeiwagen..., aus Lautsprechern (die damals an verschiedenen Punkten in der Stadt montiert waren) das Verbot zur Demo zu gehen. Weiter zur Uni, Universitätsstraße, Polizisten haben die Räumlichkeiten als Aufenthalt genutzt. Angekommen in der Moritzbastei.
Von den Unruhen in Dresden hatte ich bis zum Gespräch mit Henner Kotte noch nichts gehört, nur fünf Tage zuvor, eine solche Erfahrung durchmachend, macht mir wieder einmal deutlich wie schwer es ist, sich die damalige Zeit vorzustellen.
Ich denke, es ist wichtig in Hinblick auf den Walk auch gerade solche Geschichten zu berücksichtigen.
Zeitzeugen.
Erinnerungen an Beobachtungen auf der Street
Hm. Ich sitze auf dem Bordstein, vor mir der Parkplatz, Ecke Goerderlerring. Bauzaun kreist "Blechbüchse" ein. Schleuse, durch die die Menschen ein- und ausströmen, aus meiner Perspektive eher einströmen. Alle gleichen Weg. Warum laufen sie nicht um die parkenden Autos herum?
Kreuz und quer. Es scheint, als wählten sie wohl den kürzesten Weg. Ein paar Handbewegungen, Arme gehen nach oben, Hände zeigen auf die "Blechbüchse". Niemand springt in die Pfützen. Verwirrte Augen, schnell weggucken, wenn sie von meinen erblickt werden. Ist es unangenehm, wenn man das Gefühl nicht nur der Beobachtung, sondern auch das Gefühl, oh ich werde schriftlich "registriert"? Keine Kommunikation. Ich habe ihnen nichts erzählt. Sie haben mich nichts gefragt.
Wer ist hier eigentlich der Beobachter?
Performances
Es geht los vom Centraltheater, Thomaskirche, "unbekannte" Plakate in die Hand gedrückt. Oh jeh. Hochhalten. Gut, Jule hat keins, dann können wir ja "meines" zusammen empor über unsere Köpfe tragen. Hinten angereiht, denn "Stop looking back" stand drauf. Was machen die anderen? Bin ein wenig peinlich berührt. Leute gucken uns an. Für was sind wir denn? Das Gefühl- alle Augen auf die Gruppe gerichtet, weil wir Pappkartons tragen...
Augustusplatz. Stehen bleiben, einzeln weiter laufen. Wenn ich schneller laufe, überhole ich meinen Vorgänger. Dan fällt das GPS aus der Hand. Überholt. Darf ich das? Laufe langsamer. Soll der Abstand gleich bleiben? Fühle mich unwohl. Die Mehrheit der "Gruppe" läuft hinter mir. Haben sie verstanden, was wir machen sollen?
Ampel- alle wieder zusammen. In einer Reihe sehe ich den Rest ankommen. Wir beklatschen eine Werbung, werben wir auch?
Nun weiterlaufen. Ganz schön lange. Was tun? Zigarette drehen. Dann irgendwann stopen, umdrehen, rückwärtslaufen. Noch zwei aus der Gruppe, und nun?
Goerdelerring. Kreide. Bäumen etwas sagen. Stationen. Wieder laufen.
Ein Gruppengefühl hatte ich am stärksten beim Plakatetragen, wir haben nicht nur alle das "Gleiche" gemacht, sondern uns darüber eine, wenn auch nicht beabsichtigte und bewusste Identität gegeben.
Trotz der Zwischenstationen war alles im Fluss, dass fand ich gut.
Das hat bei unserem konzipierten Walk nicht so gut funktioniert. Ein wenig unkoordiniert. Aufgefallen ist mir, dass es schwierig ist, die Leute zu aktivieren. Das Wissen um die Gruppe reicht da wohl nicht aus. Hätte ich zuvor vermutet (Zusammengehörigkeit nicht nur über Masse, Auferlegung eines passiven "Bedürfnisses"), aber wahrscheinlich entzieht sich das im aktiven Moment meiner Erfahrbarkeit.
Ein weiteres "Problem" empfand ich beim Warten auf die Straßenbahn. Wie kann man die Aufmerksamkeit auf Dinge lenken, ohne sie bewusst zu markieren? Die Zwei, die sich schon anfangs "stritten", haben das dort weiterhin gemacht. Es schien, als wäre das nicht aufgefallen. Entfernungen?
Was für mich bei beiden Walks gefehlt hat, ist die Aktion außerhalb der Gruppe. Was natürlich schwierig war, da wir ja zumindest alle wissen, wie wir aussehen und der "Überraschungseffekt" wohl nicht gewirkt hätte.
Ich fand es gut, dass wir beide Parts, Performance konstruieren und laufen, machen konnten. Da im jeweiligen Moment doch ganz andere Dinge entstehen. Der Plan nicht auf geht. Wie auch die Monday Walkers gerade am 09. Oktober nicht wussten wie der "Plan" aufgeht.
Planlos?